Tools für die Krise

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Die notwendige digitale Transformation für Unternehmen ist ein alter Hut? Umso erstaunlicher, dass wir aktuell aus Gesprächen mit Kunden, Partnern und Freunden immer wieder mitnehmen, dass viele auf die plötzliche Umstellung der Unternehmensabläufe auf “digital” (meint: Home-Office) nicht vorbereitet sind. Jetzt aber hurtig.

Vertrauen haben & Workflows abstimmen

Unproduktive Arbeit gibt es auch am Arbeitsplatz. Jetzt ist die Zeit, mit einem großen Vertrauensvorschuss den eigenen Mitarbeitern zu begegnen. Arbeiten von zu Hause ist für viele noch keine Selbstverständlichkeit. Angefangen vom “Arbeitsplatz” über die Anwesenheit der Familie. Und Staub sollte auch mal wieder gewischt werden. Stellen Sie Stabilität her und tauschen Sie sich im Team gemeinsam über Best Practices aus. Oft hilft beispielsweise ein Schild an der geschlossenen Tür zum Arbeitszimmer: “Mama ist arbeiten. Bin zum Mittagessen wieder da.” (Oder ähnlich.) Dann muss Pause gemacht und die Arbeit später wieder aufgenommen werden.

Richten Sie sich auf zeitversetztes Arbeiten ein. Formulieren Sie Aufgabenpakete so, dass es möglichst zu keinen zeitkritischen Rückfragen kommen muss. Gegebenenfalls kommen die nämlich erst sehr viel später - wenn Sie selbst bereits beschlossen haben, in den Feierabend zu gehen.

Hier sind ein paar weitere Quellen für die Remote Arbeit. Das Internet ist voll davon :)

Kostenlose Angebote kommerzieller Anbieter

Wenn es ganz schnell gehen soll, wird immer öfter zu Angeboten großer und kleinerer Softwareanbieter gegriffen, die ihre Produkte als Software in der Cloud anbieten. Lesen Sie sich vor dem Start durch, welche Datenschutzbedingungen die Anbieter zur Vertragsgrundlage machen. Nicht alle Anbieter können für sensible Informationen genutzt werden. Achten Sie darauf, dass Sie mit den gewählten Anbietern einen AVV abschließen (Auftragsverarbeitungsvertrag).

Fragen Sie sich, mit welcher Absicht das Angebot aktuell kostenlos ist. Der am häufigsten anzutreffende Fall ist Neukundenakquise. Quasi ein verlängerter Testzeitraum im Deckmäntelchen des Wohltäters. Hand auf’s Herz: Wenn Sie und Ihre Mitarbeiter die Software kennen und bedienen gelernt haben, ist der Wechsel nicht mehr einfach. Und in vielen Fällen sind ins System überführte Daten zum späteren Zeitpunkt auch nicht mehr portabel (vendor lockin).

Empfehlung: Schauen Sie sich am Anfang die Kosten an, die auf Sie zukommen werden, wenn der “Testzeitraum” beendet ist. Das kann ganz schnell ganz schön teuer werden.

Free and open source software

Die gute Nachricht: Für alle Angebote der großen und kleinen Softwareanbieter gibt es vergleichbare FOSS (free and open source software). Diese Software können Sie im Rechenzentrum Ihres Vertrauens installieren (lassen) und können sich sicher sein, dass dort kommunizierte Inhalte unternehmensintern bleiben. Die typische OSS-Lizenz sieht keine nutzungsabhängigen Kosten vor. Egal wie viele Daten, egal wie viele Nutzer. Schwieriger ist die Wahl der richtigen Hardwareanforderungen. Hier müssen Sie abschätzen, wie viele User mit wie vielen Daten umgehen werden. Eine entsprechend dimensionierte Backup-Lösung muss ebenfalls bereit gestellt werden. Wenn Sie selber diese Abschätzung nicht vornehmen können, fragen Sie den Dienstleister Ihres Vertrauens.

Sie merken: Einen Moment länger darüber nachdenken - heißt eben nicht, schnell mal loszulegen. Am Ende geht es um Ihre Haltung zu Informationssicherheit und um die Folgenabschätzung, wenn aktuell kostenlose Angebote plötzlich kostenpflichtig werden.

Empfehlung: Starten Sie mit dem klassischen MVP-Ansatz (minimun viable product) und sammeln Sie Erfahrungen. Das ist dann meist die richtige Mischung aus Nachdenken und Schnellsein.

Kategorien von Tools

Die richtige Zusammenstellung des Toolsets ist nicht einfach. Es gibt viele funktionale Überschneidungen unterschiedlicher Tools und Sie werden erst nach einiger Zeit feststellen, was an einem Tool gut ist und was schlecht. Wären jetzt nicht schnelle Entscheidungen notwendig, wäre meine Empfehlung:

  • Formulieren Sie Anforderungen!
  • Evaluieren Sie entlang der Anforderungen die verschiedenen Angebote!
  • Testen Sie Ihre Software-Kandidaten mit ausgewählten Kollegen für einige Tage!
  • Entscheiden Sie sich für einen Anbieter oder eine Software, aber achten Sie darauf, dass Sie auch zu einem späteren Zeitpunkt Ihre Daten in andere Tools umziehen können!

Sofern Sie mehrere Tools einsetzen, die die gleiche Funktionalität versprechen, verabreden Sie im Team, welche Funktion in welchem Tool verbindlich ist.

Der Klassiker E-Mail

Mails senden und empfangen können Sie bestimmt. E-Mail ist für viele Einsatzzwecke immer noch eine gute Wahl für die Kommunikation. Missbrauchen Sie E-Mails jedoch nicht für den Austausch von Daten. Das hat noch nie geklappt und das klappt auch heute nicht. Die hohe Kunst ist das Verschlüsseln von E-Mails. Geben Sie GnuPG doch einfach mal wieder eine Chance. Ist nicht sooo schwer.

Unternehmenschat

Der Chat ist der liquide Kommunikationskanal für die kurzen Rückfragen. Chat-Tools gibt es seit den Anfängen des Internets. Heutzutage gibt es ein aufgefrischtes und um einige Funktionen erweitertes Angebot, das fast immer auch über einen Browser nutzbar ist. Die kommerziellen Anbieter binden einen ganzen Blumenstrauß weiterer Kommunikationstools um den Chat und nennen das dann Teams, Zoho Bundle Remotely, G-Suite …

Aus dem Bereich der free and open source software sind folgende Tools hervorzuheben:

Eine kurze Gegenüberstellung verschiedener FOSS-Tools lesen Sie hier.

Aus dem Bereich der kommerziellen Anbieter erwähnen wir folgende Produkte, weil diese gerade kostenlos oder deutlich vergünstigt angeboten werden. Die Liste dient jedoch eher der Vollständigkeit und soll nicht als Empfehlung verstanden werden.

Gemeinsame Dateiablage

Eine sinnvolle Dateiablage ist schon schwierig genug, wenn sie am Arbeitsplatz im Büro geschieht. Konzepte zu Workflows und Namenskonventionen gibt es dafür wie Sand am Meer. Remote wird das noch schwieriger. VPN ins Unternehmensnetzwerk und dann per Domain-Freigabe? Klappt, ist aber meist langsam. Die Dateiablage in der Cloud bereitzustellen, ist die aktuelle Maßnahme. Der kommerzielle Dinosaurier ist die Dropbox. Aber auch Google Drive bietet schon längere Zeit eine Dateiablage in der Cloud an. Und die “eierlegenden Wollmilchsäue” wie Teams, Zoho und Co. haben zentralen Speicherplatz in ihre Tools eingebaut.

Aus dem FOSS-Bereich sind folgende Tools hervorzuheben:

Beide lassen sich problemlos im Rechenzentrum des Vertrauens installieren und an ein zentrales Benutzermanagement anbinden.

Audio- / Videokonferenz

Bei nahezu 80 Prozent aller Einladungen zu virtuellen Konferenzen erhalten wir gerade den Hinweis auf die zu installierende Zoom-App. Kein Wunder: Das Produkt Zoom Basic umfasst aktuell bis zu 100 Teilnehmende und maximal 40 Minuten je Konferenz für 0 Euro. Wir haben zu Zoom eine ablehnende Haltung, weil die Macher in der Vergangenheit nicht adäquat auf ihre eigene Sicherheitslücke reagiert haben.

Wir sind auch keine Freunde von Skype und G Suite - Hangout.

GoToMeeting stellt momentan wichtigen Leistungserbringern Emergency Remote Work Kits (Notfallpakete für die Telearbeit) drei Monate lang ohne Gebühren unternehmensweit zur Verfügung.

UPDATE 07.04.2020:

Wir haben im vorstehenden Absatz gestrichen, weil wir Zoom derzeit echt nicht empfehlen können. Nicht einmal als Alternative. Lesen Sie beispielsweise hier die neuesten Entwicklungen. Wenn wir ganz viel Vertrauen zeigen, geben wir vielleicht in der fernen Zukunft Zoom eine neue Chance. Aber ehrlich: Die FOSS-Lösungen sind bereits heute die bevorzugte Alternative.

Die beiden Platzhirsche aus dem FOSS-Bereich sind eindeutig:

Zu BigBlueButton haben wir in den letzten Tagen hier und hier bereits geschrieben.

Gemeinsames Schreiben

Was waren das für Zeiten, als Google mit Google Docs das Internet betrat. Mittlerweile hat es auch Microsoft geschafft, sein Office als Office 365 in die Cloud zu bringen und kollaboratives Schreiben zu ermöglichen. Wenn Sie beides nicht im Einsatz haben, geben Sie folgender Open-Source-Software eine Chance:

  • Etherpad - super zum schnellen Zusammentragen loser Enden. Eher nicht so stark im Bereich Formatvorlagen :)
  • CodiMD - gemeinsam Markdown schreiben. Hat bei uns Etherpad abgelöst.
  • ONLYOFFICE - in Verbindung mit der Nextcloud ein fantastisches Stück Software.
  • Collabora Office - in Verbindung mit der Nextcloud eine Alternative zu ONLYOFFICE.

Eine kurze Gegenüberstellung der vorgenannten FOSS-Tools lesen Sie hier.

Weitere lohnenswerte Tools

Sie wollen Passworte mit Kollegen austauschen und können E-Mails nicht verschlüsselt versenden? Dann kann PrivateBin das Tool Ihres Vertrauens werden. Ich habe Privatebin hier schon einmal kurz vorgestellt. Wir betreiben unter https://einmal.safeserver.de/ eine eigene Instanz, die Sie gerne mitnutzen können, bis Sie selbst Ihre Instanz aufgesetzt (lassen) haben.

Digitale Transformation in einem 1/2 Tag? Nein. Das klappt auch mit Cloudron nicht. Aber in einem 1/2 Tag sind aus über 70 Tools die identifiziert, die Ihnen bei der digitalen Transformation helfen. Und da Sie das selbst betreiben, holen Sie sich gleichzeitig Ihre digitale Souveränität zurück. Sie werden einige der oben genannten Tools auch im Cloudron-Katalog wiederfinden.

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Stephan Luckow

Stephan ist Open-Source-Evangelist und ständig neugierig auf Technologien. Thematisch lassen sich seine Blogbeiträge am ehesten zusammenfassen unter "Wissensdurst (vorerst) gestillt".

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